Tag am Turm
- Alex König
- 15. Juli
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 17. Juli
Der Wecker klingelt. Sechsuhrfünfundvierzig.
Zwei Mal noch der Daumen auf die Taste. Sieben Minuten Dösen. Jedes Mal.
Dann Wasser ins Gesicht, Kaffee in die Bialetti, Croissant vom Inselbäcker.
Manchmal auch mit an den Strand. Kaffee in der Hand. Dünen im Blick. Und wieder dieser Gedanke: Wie schön das hier ist.
Drei Minuten Velo. Dann der Turm.
123 Stufen bis zur alten Holztür. 172 Stufen bis zur Plattform.
Windmesser in der Tasche, Schlüsselbund klirrt.
Manchmal direkt hoch, manchmal mit dem Staubsauger auf dem Rücken, Stufe für Stufe. Ghostbusters für Fortgeschrittene.
Oben die kleine Tür zur Plattform. Wind messen. Einmal rundherum. Alles in Ordnung? Alles in Ordnung. Wieder runter.
WC aufschliessen, Seife, Papier. Zurück ins Häuschen.
Merchandise ordnen, Friesenflagge hissen.
Dann kommen sie.
Von neun bis halb eins. Mittwochs länger.
Fragen, Tickets, Souvenirs.
„Bitte nicht rauchen.“ „Ja, auch hier nicht.“
Und manchmal: einfach nur ein Schnack.
Wenn Regen kommt und es stiller wird, male ich neue Preisschilder.
Auf jedem ein kleiner Leuchtturm. Damit die Kreativität nicht zu kurz kommt.

12:30 die Tore zu. Kassenabrechnung.
Noch einmal hoch, letzte Besucher nach unten bitten, Türen schliessen.
Manche stehen dann unten und schimpfen.
„Wir sind doch extra hierhergekommen!“
„Fünf Minuten nur!“
Aber fünf Minuten sind fünf Minuten.
Und hinter den ersten kommen immer noch welche.
Der Turm bleibt zu.
Flagge einholen. Tor verriegeln. Velo nehmen, rüber nach Nebel.
Tageseinnahmen abgeben, Wechselgeld holen, Orangensaftschorle trinken.
Man kennt sich jetzt. Nach drei Wochen schon.
Manchmal Fisch & Meer. Pommes, Remoulade, Flens.
Manchmal zurück ins Zelt.
Heute: Linsensuppe aus der Dose. Warm genug. Reicht.
Am Abend noch an den Strand.
Manchmal ein Buch, manchmal nur gehen.
Wetter wechselt oft. Regen, Sonne, wieder Regen.
Dann ins Büssli. Für eine Nacht.
So sehr ich den Regen auf dem Zeltdach mag — manchmal ist es auch gut, im Camper zu liegen.
Hier draussen lernt man schnell.
Wie die Menschen sind, wenn sie fünf Minuten zu spät kommen.
Wie der Wind klingt, wenn er um die Kanten der Plattform pfeift.
Wie still es sein kann, selbst wenn Möwen kreischen.
Und dass man auch hier irgendwann merkt, dass etwas fehlt.

Textschnipsel aus: Dörte Hansen - Zur See
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